Sicher bist Du es gewohnt, Dinge, Situationen, Ereignisse oder sogar Personen zu bewerten. Oder darüber zu urteilen, was Dir gerade widerfährt oder Du gerade zu erledigen hast.
Das ist normal, wir sind daraufhin getrimmt. Es erleichtert uns das Leben enorm, wenn wir etwas einordnen und bewerten können. Psychologisch gesehen ist dies einer der Vorteile von Vorurteilen, sie machen uns das Leben leichter.
Es abzustellen ist allein schon aus den oben genannten Gründen recht schwer. Nicht bewerten oder urteilen zu üben ist jedoch allemal wert, denn Du durchbrichst eingefahrene Muster und ermöglichst neue Perspektiven.
Ärger über verstreute Distel-Samen, mit dem ich mir das Leben selbst schwer machte
Ich will Dir an einem Beispiel verdeutlichen, wie es mir gerade vor ein paar Tagen ergangen ist.
Ich schnitt einige verblühte Disteln im Garten ab. Wie fast in jedem Jahr, war ich zu spät dran. Die Disteln waren verblüht, die Samen schon zum Teil heruntergefallen.
Was mich ärgerte, denn das bedeutet deutlich mehr Arbeit für das nächste Frühjahr. Sollen sich die Disteln nicht über den gesamten Garten ausbreiten, würde ich viel Zeit damit verbringen, die neu ausgesäten wieder ausstechen zu müssen.
Ich begann meine Arbeit bereits etwas schlecht gelaunt. Meine Stimmung ging in den Keller, als ich zusätzlich die trockenen Stängel einer Pflanze direkt daneben wegschnitt, die unzählig viele kleine Kletten hatte.
In kürzester Zeit war ich über und über voll mit Kletten, selbst in den Haaren hatte ich sie und es kratzte und juckte überall. Nicht nur in Gedanken begann ich zu fluchen und zu schimpfen, auch das ein oder andere laute “verdammte Scheiße” kam mir über die verkniffenen Lippen.
Ich steigerte mich hinein in mein “Elend” bis ich merkte, was ich (oder meine Gedanken) da taten: Ich machte mir selbst das Leben richtig schwer.
Die Dinge annehmen wie sie sind, statt dagegen anzukämpfen
Also hielt ich inne, schnaufte ein paarmal tief durch und begann bewusst ruhig zu atmen und mich selbst wieder runter zu holen. “Wieso grummelst Du vor Dich hin, Dagmar?” dachte ich. “Wird Deine Arbeit durch Deinen Ärger leichter oder schwerer?”
Die Antwort war für mich klar und ich begann mich zu fragen: “Was, wenn ich jetzt mal nicht urteile, nicht bewerte?!“
Geht es nicht einfacher, wenn ich schlicht Stück für Stück weiter mache, eine Distel nach der anderen abschneide und zerkleinere? Kann ich die kratzenden Kletten hinnehmen und sie nicht als “persönlichen Angriff der Natur” auf mich und meine Haut ansehen? Sind sie nicht ein kleines Wunderwerk der Natur, mit dieser unglaublichen Haftkraft?!”
Ich begann bewusst die Situation anzunehmen wie sie ist, nicht zu urteilen und mich nicht dagegen zu wehren.
Das Ergebnis war erstaunlich: Je mehr ich mich beruhigte, desto leichter ging mir die Arbeit von der Hand.
Ich fokussierte mich auf das, weswegen ich die Gartenarbeit begonnen hatte. Nicht mehr auf das, was ich davon hielt, was mein Kopf dazu zu sagen und worüber er zu schimpfen meinte.
Wirklich viel Spaß hat es mir damit zwar auch nicht gemacht, es ging jedoch einfacher und leichter und ich war gefühlt relativ schnell fertig. Mit einer ausgiebigen Dusche und einer gemütlichen Lese-Runde im Garten, ohne Disteln und Kletten, belohnte ich mich im Anschluss.
Indem Du bewertest, urteilst oder gar verurteilst, erschwerst Du Dir Dein Leben.
Übe Dich darin, die Dinge anzunehmen wie sie sind, ohne direkt zu deuten oder zu werten.
Nicht immer muss alles, jedes oder jeder gleich gut oder schlecht, richtig oder falsch, schwarz oder weiß sein. Es kann auch einfach mal etwas sein wie es ist. Oder auch komplett anders als Du es Dir je vorstellen könntest.
Nimm das Bild dieses Blogartikels. Was hast Du zuerst entdeckt?
Ein dunkles Ahornblatt? Oder viele gelbe längliche Blätter?
Wie hast Du das Bild auf den ersten Blick bewertet? Versuch etwas anderes darin zu sehen. Zum Beispiel einen nur teilweise sichtbaren dunklen Boden.
Übertrage das auf Dein Leben und wende diese Sichtweise an, wenn Du Deine letzten Monate reflektierst und betrachtest. Versuch dabei nicht sofort zu urteilen oder zu bewerten, was gut oder was nicht gelungen war.
Versuch – im übertragenen Sinne – sowohl die gelben Blätter als auch das dunkle Ahornblatt zu sehen. Löse Dich bewusst davon, Deinen Erkenntnissen sofort ein Urteil anzuhängen.
Wie Du über Deine Ergebnisse urteilst, urteilst Du über Dich
Warum? Weil Du Dich damit sofort bewertest.
Wie Du über Deine Ergebnisse urteilst, urteilst Du über Dich. Aber stimmt das wirklich? Ist das nicht vielleicht auch nur etwas, was von Deinen eigenen Gedanken-Mustern geprägt ist?
Woher kommen die Beurteilungen die Du dem, was Du getan hast und damit Dir selbst zuweist? Aus Dir selbst? Oder aus dem, was Du gelernt hast?
Die Dinge zu betrachten, wie sie sich darstellen, eröffnet viele mögliche Perspektiven.
Erst recht, wenn Du nicht vorschnell Deinem ersten Impuls und damit ersten Urteil folgst. Vielleicht steckt in dem, was auf den ersten und vielleicht auch zweiten oder gar dritten Blick nicht so gut war, dennoch etwas Gutes, Richtiges oder Wertvolles?!
Viele Grüße
Deine, weder urteilsfreie noch bewertungslose 😉
Dagmar Ruth