Warum es so schwer ist, von einem „toten Pferd“ abzusteigen

Sicher kennst Du den Spruch: „Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab.“

Was sich absolut logisch und leicht anhört, stellt sich häufig als gar nicht so einfach heraus.

Dennoch ist es essentiell, dass Du – sobald Du es bemerkst – absteigst, aussteigst, aufhörst. Warum? Weil Du ansonsten Deine kostbare Energie vergeudest.

Doch warum ist es so schwer von einem totel Pferd abzusteigen?

„Tote Pferde“ zu erkennen ist schwer

Zum einen, weil wir zuerst einmal wirklich erkennen und anerkennen müssen, dass das „Pferd tot ist“ bzw. es so etwas wie „tote Pferde“ überhaupt gibt. Allein das ist schon eine Herausforderung für sich, denn in unserer Gesellschaft ist es gang und gäbe erst mal andere Taktiken und Strategien anzuwenden.

  • Eine stärkere Peitsche besorgen (ob für Pferd oder Mensch ist dabei unerheblich, meist trifft es beide).
  • Zu sagen: „So haben wir das Pferd doch immer geritten.“
  • Aandere Orte besuchen, um zu sehen, wie man dort tote Pferde reitet.
  • Eine Trainingseinheit einschieben, um besser reiten zu lernen.
  • Vergleiche unterschiedlich toter Pferde anstellen.
  • Kriterien ändern, die besagen, ob ein Pferd tot ist.
  • Etwas zukaufen, das tote Pferde schneller laufen lässt.
  • Feststellen, dass die anderen auch tote Pferde reiten und erklären das zum Normalzustand.
  • Neuüberlegungen anstellen: Wenn man das tote Pferd nicht reiten kann, dann kann es doch wenigstens eine Kutsche ziehen.
  • Und im Übrigen: Wer behauptet eigentlich, dass man tote Pferde nicht reiten kann?

Auch wenn das auf den ersten Blick witzig klingt, steckt in diesen Sätzen viel Wahres.

Vielleicht hast Du Dich bei dem einen oder anderen Satz ertappt gefühlt, schon mal so gedacht oder gehandelt zu haben? Wenn ja, kein Ding, völlig menschlich! 😉

(Falls Du noch mehr Gründe willst, auf dieser Internetseite, der ich die Sätze entliehen habe, findest Du noch weitere.)

„tote Pferde“ müssen erst einmal angehalten werden

Gehen wir mal davon aus, dass Du Deine Situation erkannt hast, also Dein „Pferd als tot“ bezeichnest und absteigen willst.

Direkt folgt das nächste Problem: Oft bist Du viel zu schnell unterwegs, um sicher und gut absteigen zu können. Kein Mensch springt in vollem Galopp von einem Pferd herunter, außer die Don Kosaken vielleicht 😉

Gut, mal im Ernst…. Es ist Dir gelungen trotz aller Fallen, Verlockungen, innerer Einstellungen, Meinungen, Versprechungen, Anregungen und Ratschläge (meist von außen) festzustellen, dass Du lieber absteigen willst.

Noch aber läuft Dein Vorhaben. Vielleicht sind auch andere Personen beteiligt, die mit ordentlich „Peitschenschwingen“ dafür sorgen, dass Dein Pferd munter weiter läuft. Vielleicht hast Du das Gefühl Dich jemandem gegenüber rechtfertigen zu müssen und willst das (verständlicherweise) nur ungern klären.

Was Du brauchst ist ein Plan, um gesund und wohlbehalten abzusteigen.

Dafür ist es ratsam als erstes das Tempo zu drosseln. So kannst Du besser nachdenken. Werde langsamer, komm zur Ruhe, wenn möglich zum Stehen, lege Pausen ein. Wenn Dritte involviert sind, erbitte Dir Bedenkzeit.

Von „toten Pferden“ abzusteigen braucht eine bewusste Entscheidung

Dann betrachte Dein „Pferd“ in aller Ruhe, gerne, so lange Du noch oben aufsitzt und frag Dich ernsthaft:

Wird mich dieses Pferd wirklich dahin bringen, wo ich hin will? Oder läuft es stur weiter in eine einmal eingeschlagene Richtung?

Wenn Du Dir darüber klar geworden bist, Du also wirklich festgestellt hast, dass Dein Pferd nicht mehr am Leben ist, dann bist Du (theoretisch) in der Lage die bewusste Entscheidung zu treffen, abzusteigen.

Ich schreibe „theoretisch“, denn jetzt kommt eine weitere Falle, die uns oft daran hindert genau das zu tun.

„Aber ich habe doch schon so viel in mein Pferd investiert!“

„Wenn ich jetzt stoppe und anhalte, dann war alles für die Katz.“ ist ein ganz normaler menschlicher Gedanke.

Es handelt sich um ein psychologisches Phänomen, das im Englischen die „sunk cost fallacy“ genannt wird. Also der „versenkte-Kosten-Trugschluss“.

Egal ob das im Business-Bereich oder im Privaten ist, wir tun uns enorm schwer damit, Vorhaben oder Beziehungen, in die wir viel Zeit, Geld, Energie oder Liebe investiert haben, loszulassen und aufzugeben.


Die Kunst des klaren Denkens - Rolf Dobelli

Willst Du mehr über die „sunk cost fallacy“ oder andere menschliche Denkfehler lesen, empfehle ich Dir „Die Kunst des klaren Denkens“ von Rolf Dobelli. Es ist leicht verständlich und unterhaltsam geschrieben.


Es gibt viele gute Gründe, weiter zu investieren und einen sehr schlechten Grund

Wenn Du vermutest, dass Dein Pferd doch noch nicht tot ist, mach eine wirklich ausführliche und vor allem offene und ehrliche Analyse der Situation – am besten mit der Unterstützung einer Dir freundlich gestimmten und dennoch objektiven Person.

Wenn Du dabei feststellst, dass es einige gute Gründe gibt, weiterzureiten, sprich Dein Vorhaben oder die Beziehung fortzusetzen, entscheide Dich bewusst dafür.

Den einzigen wirklich schlechten Grund, nämlich Dich nach den bereits investierten Kosten zu orientieren, solltest Du allerdings vermeiden.

Egal was Du bisher investiert hast, es zählt allein der Blick auf das Hier und Jetzt und die Einschätzung der Zukunft.

Was Du tun kannst, um wirklich von einem „toten Pferd“ abzusteigen.

  1. Fall nicht drauf rein: Nur weil es durch Vorbilder und Einflüsse von außen fast als normal erscheint, tote Pferde zu reiten, ist es das noch lange nicht.
  2. Verlangsame das Tempo Deines Pferdes, komme zum Stehen und erlaube es Dir in Ruhe über Dich und Dein Pferd nachzudenken. Hol Dir gerne einen unabhängigen, objektiveren Blick von außen und lass jemand anderen Dein Pferd beurteilen.
  3. Mach Dir klar, dass Du – solltest Du weiter reiten – enorm viel Energie und andere Ressourcen vergeudest und vermutlich dennoch nicht dorthin kommen wirst, wo Du hin willst.
  4. Triff eine bewusste Entscheidung abzusteigen. Achte dabei vor allem auf die „sunk cost“-Falle, die Dich leicht dazu bewegen wird, doch weiterzumachen.
  5. Wenn Du abgestiegen bist, betrachte Dein Pferd noch mal in aller Ruhe und bedanke Dich dafür, wo es Dich bis hierhin gebracht hat und was es alles geleistet hat.
  6. Lerne rückblickend aus Deinem bisherigen Weg, warum Dein Pferd zu einem toten Pferd geworden ist. Das ist übrigens ein gutes Mittel um gegen den Denkfehler anzugehen, Dich nach Deinen investierten Kosten richten zu müssen. Denn Du kannst immer etwas aus jeder Situation lernen und gewinnst dadurch immer etwas.
  7. Entscheide, wie Du weitergehen willst: Zu Fuß? Auf einem neuen Pferd? In eine ähnliche oder eine ganz andere Richtung? Auf einem anderen Reittier – vielleicht reitest Du ja viel lieber auf einem Elefanten, oder lässt Dich von Mäusen in einer Kutsche ziehen? 😉

Was auch immer Dir richtig, passend oder angenehmer erscheint, entscheide nach Deinen Kriterien und Deinem Empfinden und vermeide allzu große Beeinflussung von außen.

Ich wünsch Dir viel Spaß mit Deinen neuen oder alten Reit-Tieren. Auf dass sie Dich dahin bringen, wo Du hinwillst. Ich steig dann mal von ein paar ab… 😉
Deine Dagmar Ruth

Wie schön, dass Du meinen Blogartikel bis zu Ende gelesen hast. Das freut mich sehr.

Derzeit pausiere ich mein Business als Coach & Beraterin und widme mich meinem Herzensprojekt: Freiraum-Pfade